Bratschistin leitet Projekt mit Kurzkonzerten für einsame und kranke Menschen
Pandemie als musikalische Chance
Die Musikerinnen vom Verein cassiopeia gehören nicht zu den Menschen, die über schwere Zeiten klagen und die Hände in den Schoss legen – Sie gehen zu kranken Menschen nach Hause und spenden Trost durch zu Herzen gehende Klänge.
Niklaus Rüegg – Dass Krisen nicht nur Elend, Not und Ausweglosigkeit bedeuten müssen, sondern auch neue Betätigungsfelder eröffnen können, beweist eine neue Initiative des Vereins cassiopeia. Der Verein entwickelt und betreut «interaktive, partizipative und edukative Projekte im Rahmen von kultureller Teilhabe» - so der Text auf der Webseite. Ein spezielles Ereignis brachte die Bratschistin Mirjam Toews auf eine einfache und gleichzeitig bestechende Idee. Als Leiterin einer kleinen Kammermusikreihe erhielt sie in der Vorweihnachtszeit 2020 eine Spende von einer Basler Spitex-Einrichtung. Toews überlegte, wie sie sich erkenntlich zeigen könnte. Erst wollte sie eine CD der Konzertreihe verschenken, dann kam sie auf die Idee, an einem Tag zu den kranken Menschen nach Hause zu gehen und Weihnachtslieder zu spielen. «Es war herzerweichend, ich habe sehr viel geweint, die Leute haben auch sehr viel geweint», erinnert sich Toews. Sie ging nach Hause und wusste, sie musste ein Projekt machen und flugs war die «Musik-Spitex» geboren. Was lag näher als die Bedürfnisse einsamer und kranker Menschen in der Coronakrise mit den existentiellen Nöten arbeitsloser Musiker*innen zu verbinden? Sie spürte die Pandemie ja am eigenen Leibe, da auf einen Schlag alle Engagements wegfielen. Sie sprach mit dieser Idee beim Leiter der Spitex Allschwil-Binningen-Schönenbuch (ABS), Peter Kury, vor. Dieser war von der Idee sofort begeistert und schrieb seine Kundinnen und Kunden an. Die Nachfrage war überwältigend. An einem Tag pro Woche machten sich seit März bis Juli 2021 professionelle Musikerinnen auf den Weg zu Spitex-Kundinnen und -Kunden. Das Bedürfnis nach den 20-Minutenkonzerten ist ungebrochen und «die Rückmeldungen sind rührend», sagt Peter Kury.
Bei der Honorierung nimmt es der Verein sehr genau: «Musiker*innen werden bei uns immer nach dem Tarif des Schweizer Musikverbands (SMV) entlöhnt. Da sind wir konsequent und nehmen es sehr genau. Falls in der Auftrittszeit ein Babysitter für Kinder der Musiker*innen benötigt wird, beteiligen wir uns an den Kosten.»
Balsam für die Seele
Im April 2021 zeigte das Basler Lokalfernsehen TeleBasel einen Bericht über die «Musik-Spitex». Die intensiven Reaktionen der pflegebedürftigen Menschen auf die musikalischen Beiträge zeigten, wie mit Musik Gefühlstiefen erreicht werden, die mit keiner noch so guten Pflege angerührt werden können. Mirjam Toews sagt dazu: «Mit Musik kann man positive Erinnerungen, die man mit jeweiligen Momenten verknüpft hat, zurückholen.» Ein Schlaganfallpatient wird von Toews’ Bachsuite auf der Bratsche zu Tränen gerührt. Bei «Pack die Badehose ein» singt der Schlagerfan gar mit. Ein Ehepaar zeigt sich sehr dankbar. Der Mann vermisst die alten Zeiten: «Es ist klar, dass man sich einsam fühlt. Früher, als ich in der Dorfmusik spielte, war das anders». Ein Stück von Rachmaninov, gespielt von der Cellistin Valentina Dubrovina, rührt ihn zu Tränen, während er bei «Was kann der Sigismund dafür…» ebenfalls mitsingt. Die junge talentierte Cellistin ist dankbar für die Gelegenheit, in diesem Rahmen aufzutreten: «Auftreten, mit den Leuten Gefühle zu teilen, ist heute sehr wichtig, nicht nur für die Zuhörer, auch für die Musiker». Dubrovina weiss auch den intimen Rahmen zu schätzen: «Für zwei Leute zu spielen, ist etwas ganz anderes als für 1000. Hier spielen wir sehr persönlich».
Kultur und Wissenschaft
Die Bratschistin Mirjam Toews ist auch ausgebildete Kulturmanagerin und hat das Organisieren im Blut. Sie hat zwei kleine Kinder und verteilt ihre beruflichen Tätigkeiten bewusst auf mehrere Standbeine. Ihr Bratschenstudium machte sie in Karlsruhe, Paris, Bern und Oslo. 2020 schloss sie ihr Studium «Executive Master in Arts Administration (EMAA)» in Zürich erfolgreich ab. Heute spielt sie in Kammermusikformationen und als Zuzügerin in verschiedenen Orchestern und arbeitet als Geschäftsleiterin für die Konzertreihe Swiss Chamber Concerts Basel.
«Durch Musik und soziale Projekte Veränderung herbeizuführen, ist mir seit meinem Studium in Norwegen wichtiger denn je geworden», sagt sie. Damals besuchte sie Alterszentren, um älteren Menschen
durch Musik Hoffnung zu machen. Sensibilisiert durch diese Erfahrung hat sie in der Weihnachtszeit 2020 «die vielen einsamen älteren Menschen wahrgenommen, die wegen Corona nicht raus dürfen». Neben dem jüngsten Kind, der Musik-Spitex, pflegt der Verein noch andere Bereiche. Er vermittelt zum Beispiel kammermusikalische Hauskonzerte, verfolgt aber auch eine wissenschaftliche Schiene. Vize-Präsidentin des Vereins cassiopeia Tania Barkat, ist Professorin am Brain & Sound Lab der Universität Basel: «Wir versuchen zusammen, musikalische Erlebnisse von Personen mit Cochlea-Implantaten (Gehörmuschelimplantaten) zu verbessern. Dabei bringt meine Kollegin Tania den wissenschaftlichen Background mit ein und ich den musikalischen.»
Das Pilotprojekt «Musik-Spitex» mit der Spitex ABS ist jetzt in der Abschlussphase. Aufgrund der sehr positiven Erfahrungen wird das Projekt allen Spitex-Einrichtungen schweizweit zugänglich gemacht werden.
Marc Walder schrieb am 18.09.2021 um 14:47
Das ist eine ganz tolle Idee. Ich gratuliere allen Mitwirkenden.
Hansruedi Gräf schrieb am 30.09.2021 um 10:22
Weitere Kommentare zu diesem Thema finden Sie auf unserer Facebook Seite.
Arnold Wiesberger schrieb am 18.09.2022 um 18:48
Gratuliere zu diesem Projekt! Ich bin Rotarier und Bratschist. In unserem Club machten wir ein vielseitiges Adventprogramm für die Bewohner eines Altersheims. Ich übernahm das Spielen von Musik für 30 min. Das Interesse der alten Leute an meiner Barockmusik war - na ja "gedämpft"... Dann stellte ich auf Weihnachtslieder um und alle sangen mit. Soweit-so gut. Eine Schwesten kam zu mir, deutete auf eine alte Dame im Rollstuhl und sagte: "Sahen Sie wie die mitsang!!!" Klar sah ich das, was war so besonderes dran? Die Schwester erwiederte: Die Dame spricht schon seit 3 Jahren nicht mehr. Aber bei den Liedern sang sie mit!! Das ist doch toll!
Macht bitte auch ihr mit eurem Verein weiter so! Die Menschen werden es euch danken! Lg
für Violine, Viola und Violoncello
nach der Klaviersonate KV 310
Partitur und Stimmen
bearbeitet und herausgegeben von Stéphane Rougier
mit Vorschau der ganzen Ausgabe
ViolaViva Musikverlag » zur Ausgabe
In Straßburg in eine Musikerfamilie hineingeboren, wuchs Stéphane Rougier in einer musikalischen Umgebung auf und fing schon als Kind an, Geige zu spielen.
Im Alter von 14 Jahren wurde er am Conservatoire National Supérieur de Musique de Paris aufgenommen. Er erhielt Preise für Violine und Kammermusik, setzte seine Studien in Deutschland fort, und begann bald eine Karriere als Kammermusiker und Solist auf Violine und Viola. 1996 wurde er zum Konzertmeister des Symphonie- und
Opernorchesters von Nancy. 1999 wechselte er als Konzertmeister zum Nationalorchester Bordeaux Aquitaine unter der Leitung von Hans Graf.
Rougier engagiert sich in den verschiedensten Genres, ob Theater, Ballett, Folk, Elektronik oder Barock. Er liebt es vor allem, neue Menschen kennenzulernen, neue Horizonte zu erkunden und seine musikalischen Entdeckungen zu teilen. » zur Ausgabe
Die Musik bildet einen der Grundpfeiler des Menschseins. Trotzdem muss ihre Stellung in Gesellschaft und Politik immer wieder neu erkämpft werden. »zum Blogbeitrag
Möchten Sie keinen Blog mehr verpassen? Mit unserem monatlich erscheinenden ViolaNewsletter machen wir Sie auf die neuen Blogartikel aufmerksam. »Viola-Newsletter abonnieren